Das Arbeitszeugnis - (k)ein Buch mit sieben Siegeln?

Montag, 12. März 2018 - Das Arbeitszeugnis - (k)ein Buch mit sieben Siegeln?

Das Arbeitszeugnis – (k)ein Buch mit sieben Siegeln?

Dr. Ruedi Wunderlin gibt im Interview einen Überblick über die wichtigsten Aspekte, die es in Hinblick auf ein Arbeitszeugnis zu beachten und wissen gilt.


Herr Wunderlin, lange Zeit galten Arbeitszeugnisse als verbindliches Dokument für den potenziellen nächsten Arbeitgeber. Für wie zeitgemäss halten Sie Arbeitszeugnisse? Schauen Arbeitgeber nicht eher auf Erfahrungen und verschaffen sich einen Eindruck von der Persönlichkeit des Bewerbers?

Arbeitszeugnisse sind nach wie vor wichtige Dokumente. Sie ergänzen auf ihre eigene Weise einen Lebenslauf und sind daher komplementär zu anderen Prozessen. Für einen umfassenden Gesamteindruck spielen sie in diesem Sinne eine bedeutende Rolle. Ich sehe eine grosse Chance für Bewerber darin, dass der ehemalige Arbeitgeber die Qualitäten des Mitarbeiters sowie die spezifischen Tätigkeiten und Erfahrungen mit den markt- und kundenbezogenen Anforderungen und entsprechender Performance aufzeigt.

Welche Aspekte sind wichtig zu erwähnen?

Kurz und knapp sollte alles Relevante in Bezug auf das Tätigkeitsfeld des Mitarbeiters erwähnt werden. Hierzu zählen Leistungen, die Art und Weise, wie er Aufgaben erledigt, das Verhalten im Team und den Kunden gegenüber sowie die Charakterqualitäten, welche seine Persönlichkeit auszeichnen.

Was kann ein Arbeitnehmer tun, wenn er sich durch die Formulierungen im Arbeitszeugnis ungerecht beurteilt sieht?


Ich befürworte zuerst den persönlichen Kontakt mit dem direkten Vorgesetzten, der Personalabteilung, oder dem übergeordneten Chef zu suchen. Häufig hilft ein klärendes Gespräch. Kommentare und Inputs sollten hierbei schriftlich festgehalten werden. Unter Umständen können Mitarbeiter gemeinsam mit dem Vorgesetzten an entsprechenden Formulierungen für das Arbeitszeugnis feilen. Falls es aus persönlichen oder anderen Gründen dann trotzdem nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommt, können im Ernstfall rechtliche Schritte eingeleitet werden.

Für gewöhnlich wirken Arbeitszeugnisse auf den ersten Blick ein wenig verklausuliert, da keine offene Kritik geäussert werden darf. Welche Formulierungen stehen für besonders gute Leistungen und welche weisen darauf hin, dass der Arbeitnehmer im Auge des Arbeitgebers eher schlechte Arbeit geleistet hat?

Wenn der Arbeitgeber aktiv die guten Leistungen des ehemaligen Mitarbeiters erwähnt und diese vielleicht sogar präzisiert, kann man davon ausgehen, dass die Angaben der Realität entsprechen. Wenn jedoch im Gegenzug sehr verallgemeinernde Formulierungen fallen, sollte im Rahmen des Vorstellungsgesprächs gezielt nachgeforscht werden. Wird „irgendwie“ auf die Resultate-Erreichung oder die Bewältigung der wesentlichen Jobelemente kaum und nicht qualifizierend eingegangen, so ist zu vermuten, dass hier möglicherweise eine „Under-Performance“ vorliegt.

Darf der ehemalige Arbeitgeber auch den Kündigungsgrund angeben?

Falls diese Angabe zweckmässig ist, ist das durchaus üblich. Wenn es zum Beispiel zu einer Reorganisation des Unternehmens kommt, ist das sogar sinnvoll, da der Arbeitnehmer im Vorstellungsgespräch nicht näher auf seinen Jobwechsel eingehen und diesen begründen muss. Andererseits sind in aller Regel Formulierungen in einem Zeugnis zu wählen, die für den Mitarbeiter günstig sind. Sofern keine wichtigen (z.B. strafrechtlichen) Gründe vorliegen, kann in diesem Sinne auf die Erwähnung des Kündigungsgrundes auch verzichtet werden.

Haben Arbeitnehmer generell ein Anrecht auf ein Arbeitszeugnis?

Ein solides professionelles Unternehmen erfüllt seine Zeugnispflicht, indem es speditiv dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin zeitnah nach erfolgter Kündigung ein „taugliches“ Zeugnis verfasst und zustellt. Aktuelle Dokumente sind äusserst wichtig, damit sich ein Arbeitnehmer effizient am Markt positionieren und bewerben kann.

Und wie fordert man sich das Arbeitszeugnis ein, falls der ehemalige Arbeitgeber dieses nicht zeitnah ausstellt?

Zunächst einmal höflich anfragen! Falls es zu einer Verzögerung kommt, kann der Mitarbeiter nachfassen und mit einer Frist von 5 bis 10 Werktagen die Ausstellung schriftlich oder mündlich verlangen. Im Ernstfall können weitere Schritte – auch rechtliche – ergriffen werden. Aber für gewöhnlich ist dies erst in einer wesentlich späteren Phase der Fall, falls es tatsächlich zu negativen Konsequenzen wegen des ausstehenden Zeugnisses kommt.

Herr Wunderlin, vielen Dank für das Interview und die ausführlichen Informationen rund um das Thema Arbeitszeugnis!

Für weitere Fragen stehen Herr Wunderlin sowie das gesamte Team von Thoma & Partner als Experten unter der Telefonnummer 041 769 36 36 gerne zur Verfügung.


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